Mit kleinen Änderungen viel bewirken: Musterunterbrechungen

 

Wenn sich "störendes" Verhalten ändern soll, geht es immer auch um die Frage, wie es gelingt, festgefügte Muster so zu irritieren, dass etwas Neues entstehen kann.

Beispiel 1:

Zwei Geschäftsführer geraten seit einer Liquiditätsflaute regelmäßig bei ihren wöchentlichen Abstimmungsgesprächen aneinander. Es kommt zu gegenseitigen lautstarken Vorwürfen, das Betriebsklima ist angespannt, Entscheidungen werden verzögert oder ausgesessen. Beiden ist klar, dass dieser Umgang miteinander wenig hilfreich ist, trotzdem kommen sie aus der Zwickmühle nicht heraus.

Beispiel 2:

Die Beschäftigte einer Behörde  wird seit einigen Wochen drei- bis viermal in der Woche von einem Klienten besucht, der oft schon vor Arbeitsbeginn auf dem Parkplatz auf sie wartet. Er hat kein konkretes, ihren Arbeitsbereich betreffendes Anliegen, sondern berichtet von persönlichen Sorgen. Angefangen hat es damit, dass Sie einmal viel Verständnis für seine persönlichen Probleme gezeigt hat. Er hat dies offensichtlich als Einladung interpretiert, jederzeit mit seinen Sorgen zu ihr gehen zu können. Der regelmäßige Besuch belastet sie zunehmend, zumal sie in ihrer Arbeitserledigung unter Druck gerät.

Sie geht  morgens schon mit einem mulmigen Gefühl zur Arbeit, weiß aber nicht, wie sie den Besuchen Einhalt gebieten kann. Ihre bisherige Strategie: innerlich angespannt das Ende des Besuchs abwarten und sich gelegentlich herausrufen lassen.

Beispiel 3:

Ein Mitarbeiter, sicher im Umgang mit anderen Menschen, bekommt regelmäßig Stress, wenn sein Vorgesetzter ihn anruft. Sobald er die Stimme des Chefs am Telefon hört, "schrumpft" er mental zum zehnjährigen Schüler zusammen.

Diese Reaktion ist für ihn unangenehm und belastend. Vom Verstand her ist ihm klar, dass es keinen Grund gibt, sich klein zu machen. Das hilft ihm aber wenig, weil sein Verhalten unwillkürlich, wie von einem Autopiloten gesteuert, abläuft.

In allen drei Fällen sind Muster aktiv, die dem Willen nicht gehorchen.

 Was Muster ausmacht

Die Entwickler des Neurolinguistischen Programmierens (NLP), Robert Dilts, Richard Bandler und John Grinder führen aus, dass „...unser gesamtes äußerliches Verhalten durch interne Verarbeitungsstrategien kontrolliert und bestimmt wird. Jeder Mensch hat bestimmte Strategien, um sich z.B. morgens zum Aufstehen zu motivieren, um am Arbeitsplatz Tätigkeiten an Angestellte zu delegieren, für das Lernen und Lehren, um geschäftliche Verhandlungen zu führen u.s.w.“ 1)

Man spricht auch von Mustern. Gemeint sind weitgehend unbewusste und stark automatisierte Abläufe. Streckt einem beispielsweise jemand die offene Hand entgegen, wird man in aller Regel und ganz automatisch die eigene Hand zum Händeschütteln reichen. Solche Abläufe und Verhaltenweisen sind in unserem Gehirn als neuronale Netzwerke verankert. Oft genügt ein einziger Impuls, um es zu aktivieren.

Bei zwischenmenschlichen Verwicklungen erleben sich die Beteiligten häufig als Reagierende: "Ich wehre mich ja nur gegen die Vorwürfe des anderen". Diese Muster sind auch als Teufelskreise bekannt.2)

 Prinzipiell  sind Automatismen hilfreich und notwendig. Es muss nicht lange überlegt werden, wie bestimmte, oft lebensnotwendige Aktionen anzugehen sind: quietscht ein Reifen, springt man automatisch zur Seite. Ein längeres Abwägen könnte  hier ins Krankenhaus oder auf den Friedhof führen. Gleichwohl  können automatische Abläufe auch störend und kontraproduktiv sein, wie die obigen Beispielen zeigen.

 Was kann man also tun?

Solche Muster haben stets Auslöser und Rahmenbedingungen, unter denen sie ablaufen. Im ersten Schritt verschafft man sich hierüber Klarheit. Zunächst erinnert sich der Klient an eine für das Muster typische Situation. Für die weitere Analyse empfiehlt z.B. Ortwin Meiss, Hypnotherapeut aus Hamburg, folgende Fragen:

  • Wenn ich dieses Problem haben wollte, wie könnte ich es bekommen?
  • Wenn Du als Experte für dieses Problem mein Trainer wärst, was könntest Du mir raten und beibringen, wie ich lerne, dass gleiche Problem zu bekommen?
  • Wenn ich verhindern will, dass sich das Problem bessert, was sollte ich dann besser vermeiden?3)

Daneben sollte auch die Frage nach Ausnahmen (Wann läuft das Muster ab, wann nicht?) nicht fehlen.

Um Klarheit zu bekommen, sollte der Auslöser und der Ablauf des Musters möglichst detailliert erfasst werden. Die Analyse gelingt meist besser mit Unterstützung durch sachkundige andere, da man selber in aller Regel blinde Flecken bezüglich des eigenen Verhaltens hat. Schon allein die Erkenntnis, wie sich ein Muster entfaltet, macht unabhängiger.

Im zweiten Schritt geht es darum, zu überlegen, was an dem immer gleichen Ablauf verändert werden kann. Gunther Schmidt führt aus: "Veränderungen des Erlebens entsteht immer dadurch, dass Unterschiede in diese Muster eingeführt werden(...).Damit wirksame Änderungen angeregt werden, muss dann auch nicht ein ganzes Muster verändert werden, sondern es genügt meist, Unterschiede in einem oder mehreren Elementen (...) einzuführen." Damit  "..werden nicht nur die direkt veränderten Elemente erfasst, sondern in Wechselwirkung das ganze Muster."4)

Danach, im dritten Schritt, geht es um Umsetzung und Praxistest.

Mit den beiden Geschäftsführern (Beispiel 1) verabredeten wir, dass sie ihre wöchentlichen Abstimmungsgespräche probeweise an einem anderen Ort, konkret in ein Cafe, verlegen. Hier erschweren schon die andere Umgebung und die anwesenden Personen, in einen lautstarken Streit zu verfallen. Das half den beiden zu erkennen, dass es auch anders geht, und ihre Streiterei nicht zwangsläufig ist.

Mit der Beschäftigten der Behörde (Beispiel 2) vereinbarten wir, dass sie nicht, wie bisher, an ihrem Schreibtisch sitzend den Klienten empfängt. Nach seinem Eintreten sollte sie sofort aufstehen, ihm entgegen gehen und freundlich, aber stereotyp wiederholend sagen, dass sie momentan keine Zeit habe. Das neue Verhalten haben wir mit ihr im Rollenspiel eingeübt, So konnte sie es in der konkreten Situation besser abrufen. Schon in der folgenden Woche ist sie dem Klienten mit der neuen Strategie begegnet;  seine Besuche hörten schlagartig auf.

Mit dem Mitarbeiter im Beispiel 3 vereinbarten wir, dass er nicht wie gewohnt, sofort zum Telefonhörer greift, wenn es läutet. Er zählte von 21 bis 25, bevor er den Hörer abnahm. Während des Zählens stand er auf und nahm so den Anruf  in einer emotional stabileren  Haltung entgegen.

Selbstverständlich reichen solche Empfehlungen zur  Musterunterbrechung allein nicht immer aus, um unerwünschtes Verhalten zu verändern. Bei den Geschäftsführern war noch zusätzliche Klärungsarbeit erforderlich. Auch der Mitarbeiter benötigte eine zusätzliche Unterstützung, um seinen übermäßigen Respekt vor Vorgesetzen in den Griff zu bekommen.

Musterunterbrechungen erlauben neue Erfahrungen. Sie erfüllen das, was der kanadische Psychologe Albert Bandura Selbstwirksamkeitserwartung nennt. Es ist die Erwartung, auf Basis der eigenen Kompetenzen auch in schwierigen Situationen selbstständig und zielführend handeln zu können. 5)

 Quellenangabe:

1)  Robert B. Dilts, Richard Bandler, John Grinder: Strukturen subjektiver Erfahrung. Ihre Erforschung und Veränderung durch NLP, Paderborn 1994, Seite 45

2)  Maren Fischer-Epe: Coaching: Miteinander Ziele erreichen, Reinbek b. Hamburg, Seite 108

3) Ortwin Meiss, Seminar Persönlichkeitsentwicklung am 28.- 29.11.2009 im Milton-Erickson-Institut in Heidelberg

4)  Gunther Schmidt, "Hypnosystemische Krisenberatung: Wie Opfer-Erleben zu Empowerment und konstruktiver Lösungsentwicklung transformiert wird" in Gunther Schmidt, Anna Dollinger,        Björn Müller-Kalthoff (Hrsg.): Gut beraten in der Krise, Bonn 2010, Seite 32 und 33

5) http://de.wikipedia.org/wiki/Selbstwirksamkeitserwartung