Streitbeilegung durch Mediation - Reden allein greift oft zu kurz

Wie man Methoden aus der systemischen Familientherapie sinnvoll einsetzen kann

Die klassische Mediation ist ein 5-stufiges Verfahren* und beruht im Wesentlichen auf dem Gespräch. Dieses Vorgehen ist zwar sinnvoll, lässt sich aber mit verschiedenen Werkzeugen sehr gut ergänzen und beschleunigen. Einige dieser ergänzenden Methoden, die wir in unserer praktischen Arbeit erfolgreich nutzen, stellen wir in diesem Artikel vor.

Erfolgskontrolle in den Einigungsprozess einbauen

Parteien und Mediator können sich mit einfachen Mitteln über den Erfolg der Zusammenarbeit auf dem Laufenden halten. Dazu erarbeitet der Mediator zunächst mit den Parteien ein gemeinsames Ziel. Das kann z.B. das Bestreben sein, wieder einen normalen Umgang miteinander zu pflegen

Zu Beginn und zum Ende einer jeden Sitzung werden die Parteien gebeten, auf einer Skala zwischen 1 und 10 einzuschätzen, wo sie sich momentan auf dem Weg zum Ziel stehen. 1 bedeutet, es ist noch nichts vorangekommen,10 heißt, das Ziel ist voll erreicht.

Den Fortschritt auf diese Weise sichtbar zu machen, stärkt nicht nur die Motivation. Die subjektive Einschätzung der Zielerreichung bietet zudem die Möglichkeit für ein lösungsorientiertes Gespräch. So kann der Mediator z.B. danach fragen, wie es die Beteiligten geschafft haben, von 3 auf 4 zu gelangen. Die Beteiligten finden so heraus, was funktioniert und hilfreich ist.

Der Mediator kann sich nach dem nächsten Schritt auf dem Weg zum Ziel erkundigen, etwa mit der Frage:"Was kann  denn jeder von Ihnen tun, um eine Stufe weiter (z. B. von 4 auf 5) zu gelangen?". Die Beteiligten werden angehalten, über zieldienliche Handlungen nachzudenken.

Während eine Sitzung fragt der Mediator nach, wie zieldienlich Vorschläge, Ideen und Handlungen sind ("Was glauben Sie, in wie weit bringt Sie diese Handlung näher in Richtung normaler Umgang"). So findet ein begleitendes Controlling statt.

Versuchen Sie nicht, den Streit "wegmachen", sondern lenken Sie die Aufmerksamkeit in eine konstruktive Richtung.

Konfliktparteien wollen den Konflikt rasch loswerden. Das ist ein verständlicher, aber schwer realisierbarer Wunsch. Alle Versuche, einen Konflikt einfach "wegzumachen" führen zu innerem Widerstand. Der Konflikt ist schließlich der Zeuge für nicht zufrieden gestellte Bedürfnisse und zeigt an, dass wichtige Interessen unberücksichtigt sind. Die Beseitigung des Konflikts kommt auf einer unbewussten Ebene einem Interessensverzicht gleich, was keiner wirklich will.

Wirksamer ist es, den Konfliktes als Hinweis auf zu wahrende Interessen zu würdigen und die Aufmerksamkeit der Parteien auf Lösungen zu richten. Dazu stellt man folgende Fragen an die Parteien:

"Angenommen, Sie wollen Ihren Konflikt verschärfen. Wie könnten Sie das erfolgreich tun?"

"Was würde denn Ihrer Meinung nach dafür sprechen, alles so zu lassen, wie es ist? "Wäre das nicht bequemer für Sie?"

"Angenommen, der Konflikt lässt sich nicht beseitigen. Wie können Sie trotzdem auf eine Art und Weise miteinander umgehen, die ein wenig mehr Normalität in Ihrem Umgang möglich macht?"

Die erste Frage fördert bei den Beteiligten die Erkenntnis, dass sie Einfluss auf den Konflikt haben. Das was man verschlimmern kann, kann man auch verbessern. Nebenbei wird ihnen klar, was sie tunlichst unterlassen sollten.

Die Fragen zwei lassen die Beteiligten über den Vorteil, die jedem Konflikt innewohnt, nachdenken. Als Mediator übersieht man leicht, dass die Lösung eines Problems aus Sicht der Parteien durchaus nachteiliger sein, als es aufrecht zu erhalten.

Die dritte Frage zielt auf den Umgang mit Beschränkungen ab. Warum denn die Mühe machen, den Konflikt beizulegen, wenn man doch auch so gut miteinander umgehen kann. Machen Sie das Beste aus der Situation. Statt den Konflikt zu pflegen, geht die Aufmerksamkeit auf einen konstruktiven Umgang miteinander. In gewisser Weise ein paradoxes, aber wirkungsvolles Vorgehen.

Machen Sie die Streitenden zu ihren eigenen Beobachtern

Die Parteien werden veranlasst, aus einer anderen Perspektive, also praktisch "von außen", einen Blick auf ihren eigenen Streit zu werfen.

Dazu bittet der Mediator die Beteiligten, einmal aufzustehen und einen anderen Platz im Raum zu aufzusuchen, von dem aus sie auf ihren ursprünglichen Platz sehen können. Sie gehen so in eine andere Köperposition und unterbrechen spürbar einen angespannten emotionalen Zustand.

Im nächsten Schritt werden sie aufgefordert, einmal aus der Vogelperspektive, ("Reflektierenden Position" aus dem "Adlerhorst" oder aus einer "Metaposition") ihre konfliktgeladene Interaktion zu betrachten und zu beurteilen. Die Parteien dürfen über sich selbst nur in der dritten Person sprechen, so fallen sie nicht in die Rolle der Streithähne zurück. Dann führt er mit ihnen, aus der Beobachterposition ein Gespräch über das, was den Konflikt aufrecht erhält und was im gegenseitigen Umgang verändert werden sollte. Die Beteiligten werden auf diese Weise zu ihren eigenen Beratern gemacht. Ausgestattet mit diesen neuen Erkenntnissen gehen die Parteien wieder auf ihren alten Platz zurück.

Der Mediator kann darüber hinaus die Beteiligten auffordern, die Plätze zu wechseln und so einmal durch die Brille des Kontrahenten die Lage zu beurteilen. Die Parteien können ihre bisherige Haltung nicht mehr aufrecht erhalten.

Bringen Sie den Konflikt nach außen

Mit diesem Vorgehen wird eine mentale Distanz zum Konflikt hergestellt. Die Konfliktbeteiligten werden gebeten, sich den Konflikt wie eine eigenständige Person  vorzustellen. Der Konflikt wird sozusagen aus der Beziehung heraus nach außen transportiert, oder externalisiert, wie es im Fachchinesisch heißt.

Gut ist es, den personifizierten Konflikt an eine Position im Raum zu stellen.

Die Kontrahenten müssen sich nicht auf eine Person und einen Ort einigen. Jeder kann seine eigene "Phantomperson" kreieren.

Dann redet der Mediator mit den Beteiligten darüber, welchen positiven Aspekt der Konflikt hat, wie er sich auswirkt und was helfen kann, ihn loszulassen.

Die Methoden können sinnvoll kombiniert werden. Näheres können Sie den beigefügten Arbeitsblättern entnehmen.

Arbeitsblätter-pdf:

http://doppelspitzencoaching.de/images/uploads/Arbeitsblätter_Konfliktbeilegung.pdf

Quellen

Dieser Text wurde auf der Grundlage eigener Erfahrungen und unter Verwendung der folgenden Quellen erstellt:

1.Gunther Schmidt, Du hast keine Chance-nutze sie! Vortrag im Rahmen des Resilienz Kongresses am 4.-6.10.2013 in Wien (DVD)

2.Joseph O'Connor und John Seymour, Neurolinguistisches Programmieren: Gelungene Kommunikation und persönliche Entfaltung, Kirchzarten bei Freiburg 2010, Seite 342

3.Fritz B. Simon, Einführung in die Systemtheorie des Konflikts, Heidelberg 2010, Seite 58 und 59

4. Die Embodiment-Forschung beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Körper und Psyche, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Embodiment

5.Christine Amrhein, Wie körperliches Empfinden die Gefühle beeinflusst, in Die Welt vom 25.02.2011,www.welt.de/gesundheit/psychologie/article12642760/

Wie-koerperliches-Empfinden-die-Gefuehle-beeinflusst.html

6.Gunther Schmidt, Seminar: „Hypnosystemische Konzepte für Paar- und Sexualtherapie am 13.-15.10.2008, Milton - Erickson - Institut Heidelberg

7.Klaus Grochowiak, Das NLP Practitioner Handbuch, Paderborn 1995, Seite 161

8.Arist von Schlippe, Das kommt in den besten Familien vor...Systemische Konfliktbearbeitung in Familien und Familienunternehmen, Stuttgart 2014, Seite 179

9.Klaus Grochowiak, ebenda

10.Reflektierende Position aus dem Adlerhorst in Wirtschaftspsychologie aktuell vom 04.02.2009,http://www. wirtschaftspsychologieaktuell.de/

strategie/strategie_20090204_

11.in Abänderung von https://de.wikipedia.org/wiki/

Externalisierung_(Psychologie)

12.Arist von Schlippe, ebenda Seite 182, geringfügig abgeändert

*)1. Auftragsklärung/Arbeitsbündnis,2. Erfassen der konflikthaften Themenbereiche,

    3.Konfliktbearbeitung, 4.Problemlösung,5. Vereinbarungen treffen

Bildnachweis:fotolia_69729896_S

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